von Der Krähenwolf » Sa 21. Mai 2016, 16:57
Das gescheckte Tier setzte sich erst einmal auf seine Hinterkeulen und starrte leicht fassungslos auf die nun fast leere Lichtung. „Nun, ich sagte ja, die meisten Träger wären Hüpfer.“, kommentierte er die Flucht des Suavi und der Wölfin. Dabei wandte er den Schädel zu Szor, der sich vorerst eines Kommentares zu enthalten schien. „Aber immerhin hab ich uns Frühstück besorgt. Das gibt Symphatiepunkte, richtig?“, fragte er den dunklen Caniden, ehe er sich dem Übriggeblienen Wolf zuwand. „Ich nehme an es sind wieder die üblichen Gruselgeschichten, die deine Begleiterin in die Flucht schlug? Welche sind es dieses Mal? Ritualopfer? Menschenopfer? Ich begegnete mal einem Rudel, dass Meinesgleichen als Gott verehrt – DAS war vielleicht ungemütlich. Immerhin ist die Angst Teil der Prüfung, auch wenn es angenehm war mit etwas anderem als Furcht begegnet zu werden. Dabei ist diese Reaktion irrational. So dürr und schlaksig wie ich bin, bin ich einem Rudel keine Gefahr. Ich mag groß sein, aber Größe schafft nicht automatisch Muskeln und Stärke. Ja, aber da ist das Aber, nicht wahr? Das Unbekannte und das Aber.“, amüsiert grinste das Tier, die Zunge hing entspannt aus dem geöffneten Fang und die Ohren schnippten. „Das große, böse Aber.“, murmelte er zu sich selbst weiter, rappelte sich auf und schritt auf die Wölfin zu. „Das hier ist Szor, auch ein Magieträger. Wie du siehst, lebt er noch und ist alles andere als Menschen-, Krähen- oder Mein Futter. Dass du stehen bliebst und nicht deinen Gefährten folgtest heißt entweder, dass du vernünftig bist oder deine Loyalität nicht bei deinem Rudel liegt. Aber die Normalen sind immer die Vernünftigen. Liegt an der Erfahrung und das Verständnis, wenn sie mit Absurditäten und Andersartigen in Kontakt kommen.“, erklärte er ohne wirklichen Zusammenhang weiter. Er nahm ihre unterwürfige Haltung an, umkreiste die jüngere Fähe und beschnupperte sie kurz. Der Krähenwolf hielt nicht allzu viel von den festen Rangabläufen – zumal er eh den Dominanzbonus auf seiner Seite hatte. Man musste es ja nun auch nicht übertreiben. „Kann natürlich sein, dass ich diesen hübschen Wolf hier mit Worten den Kopf verdrehe, ihn jetzt an dem Kadaver mäste und später an die Krähen verfütter.“, gab er dann noch zu Bedenken und schaute kurz nachdenklich drein. „Natürlich musst du eine Entscheidung treffen. Sie wird sicher nicht zum Rudel flüchten und da bleibt die Frage: Kehrst du brav und folgsam zum Rudel zurück, oder sammelst du deine Gefährtin ein, gesellst du dich zu uns während des Mahles oder gehst du dem fremdländischen Kater hinterher? Ich bin natürlich für was ganz anderes, Überraschenderes, als dem Offensichtlichen.“, kam der letzte Anhang schnell noch hinzu. Und wieder hielt das Tier inne, schloss den Fang, kräuselte die Nase beim Wittern und verlor sich kurz in Gedanken. Die Fähe stehen lassend, gesellte sich der gescheckte Wolf nun zu Szor zurück . „Das Rudel muss näher sein, als uns lieb sein sollte, laut dem Heulen von eben. Sollten sie hier aufkreuzen, sollten sie nicht erfreut sein mich zu sehen – lauf auf mein Zeichen und kümmere dich nicht um mich. Ich werd dich später schon wieder einsammeln.“, murmelte er dem fremden Rüden leise und eindringlich zu, umrundete auch diesen, wie er zuvor ylva umrundet hatte und nahm nun seinerseits einen Platz bei dem Hirsch ein, um ein paar Brocken zu fressen in aller Seelen Ruhe und ohne seine Gesellschaft weiter Beachtung zu schenken. Seine Gedanken gingen andere Bahnen, die dem ausgeglichenen, fröhlichem Äußeren arg widersprachen. Sein Amt war nicht lustig und nicht leicht, auch wenn er den Optimisten und Narren mimte um die Last etwas angenehmer auf seinen Schultern zu verteilen. Es kam immer häufiger vor, dass er angehende Magieträger in Panik auffand und entsetzt vor Aberglaube. Die Geschichten der Krähenwölfe und über die Träger waren mit der Zeit immer schauriger geworden und blutiger. Auch wurden die Rudel immer weniger, die ihn wirklich ansahen und nicht einem Spiegel ihrer eigenen Illusion sahen. Rudel, die HINSAHEN und selbst dachten, statt sich von ihrer Erziehung indoktrinieren zu lassen. Es wäre so viel einfacher, wenn Seinesgleichen die Plätze der Anführer einnehmen würden, doch war das nur ein Wunschtraum, der zwar das Los der andersartigen Wölfe für kurze Zeit verbessern würde, aber auf lange Sicht der ganzen Rasse die Existenz kosten konnte. Es waren auch nicht nur die Geschichten. Sie waren irgendwo nachvollziehbar. Es gab nur sehr wenige magische Wölfe, die bei ihren Rudeln blieben, oder Zurückkehrten, wenn sie einen Krähenwolf erblickt hatten. Die Angst war dementsprechend berechtigt, da es keine Erklärung gab. Doch dem Krähenwolf selbst wurde nicht nur Furcht, sondern immer häufiger Feindschaft entgegengebracht. Der Fluch des Vergessens nahm seinen Lauf und es gab nur so wenig, was er dagegen tun konnte. Vielleicht wurde es Zeit eine andere Richtung einzuschlagen, sinnierte er, während seine Backenzähne den Mittelhandknochen des rechten Vorderlaufes knackten um an das Knochenmark zu kommen. Vielleicht war es aber auch umso wichtiger den alten Pfad zu beschreiben und an den alten Werten festzuhalten? Das Ratschen und Knacken von Knochen ertönte über der Lichtung, daneben Schmatzen und ab und an ein Niesen. Der schwere Geruch von Blut und Kadaver überlagerten das hoffnungsvolle Licht, was so langsam den Platz einnahm und die Wölfe in neues Tageslicht hüllte. Schade, dass ich nicht allwissend bin, wie alle zu glauben scheinen, dass ich es bin, beendete er die ebenso schweren Gedanken, die ihm anfingen den Appetit zu verderben und füllte stattdessen seinen Magen mit etwas Realem.
16. Kiriat, Morgen
Krähenwolf stellt Szor vor und überschwemmt ylva mit einem Monolog. Danach tut er sich an dem Kadaver gütlich und hängt einem Moment seinen Gedanken nach.
Krähenwolf, ylva, Szor