von Anuka » So 20. Sep 2015, 09:24
Der Schrecken saß. Und neben dem Schrecken saß ein Funke Verwirrung. Und Bewunderung. Ylva hatte keine Sekunde gezögert, sondern sich dem Vogel angenommen und in einem kurzen lautem Kampf niedergerungen. Vor Begeisterung mitgerissen, hatte Anuka sich ebenso umgerissen und vor Aufregung aufgebellt. Ja, es war pure Begeisterung, die aus ihren Augen leuchteten und die sie dazu trieben sich unterordnend tiefer zu legen und fiensend und heftig mit der Rute wedelnd der ranghöheren Fähe die Schnauze zu lecken. „Ja! Mir geht es gut. Nichts passiert. Außer meinem Stolz.“ Und weil sie sowieso schon halb aus dem Stress der Situation herausgefallen war, konnte Anuka es auch nicht unterdrücken sich von Ylva zu lösen und mit einem spielerischen Sprung auf den toten Raben zu werfen. „Das war so schnell! Wie hast du ihn einfach so schnell schnappen können?!“. Die junge Fähe war zu alt, um keine Jagderfahrung zu haben, aber sie war noch jung genug, dass sie definitiv nicht die Finesse des Alttier hatte oder die erfahrene Kalkül effektiv zu handeln. „Hast du das gesehen Krolon?“, auch hier war es Begeisterung; einfacher, kindlicher Übermut, der sie sich nun zu dem Suavis wenden lies und auch hier konnte sie es nicht unterdrücken ihren Oberkörper von sich zu strecken, Hinterteil in die Luft und die große Katze anzulachen. Als er jedoch immer noch wie ein armer Tropf da lag, plumpste Anukas Hinterteil prompt ebenso zu Boden und sie sandte einen undefinierbaren, leicht bekümmerten Blick zu Krolon. Irgendwas klickte in ihrem Inneren, die Puzzleteile, die sie an Haltung und Aussagen von der Katze hatte; seine Aussagen und ihre Eindrücke. Er sah traurig aus und verlassen. „Dann ist doch alles gut. Dann fressen wir gemeinsam und führen dich aus unserem Gebiet raus.“, kam eine recht enthusiastische Antwort von ihr, statt ihn weiter zu piesacken oder über sein Verhalten und Äußeres zu spötteln. Der Freudenausbruch war untypisch für sie gewesen, ebenso wie ihr jetztiger Optimismus. Ob es daran lag, dass Krolon etwas vollkommen anderes war, was ihr bekannt war, oder dass er sich versuchte um Welten unscheinbarer und kleiner zu machen, als es selbst Anuka als Wurfschwächste getan hatte – es mündete darinnen, dass die Jungwölfin eine sehr offene, unbekümmerte Freundlichkeit an den Tag legte. Mit einem Seitenblick zu Ylva suchte sie nach Bestätigung oder Ablehnung ob dieses Beschlusses und begann dann abermals sich dem Kadaver zu widmen. Für die schlacksige Wölfin war alles geklärt. Keiner wollte den Anderen angreifen, alle wollten in Ruhe fressen und danach friedlich seiner Wege ziehen. Also wo lag das Problem, richtig?
Das Mahl an sich war schnell und schmerzlos für Anuka. Wölfe frassen generell sehr schnell und schlangen gierig, zumal sie meistens ihre Beute mit deutlich mehr Individuen zu teilen hatten und es klug war sich den Bauch schnellstmöglich vollzuschlagen. Und wie sie dann vom Aas abließ und sich in das Gras niederlies und begann ihre Pfoten zu säubern, hatte ihr Kopf endlich wieder Zeit sich mit anderen Sachen zu beschäftigen. „Wie sieht es denn in deiner Heimat aus? Sehr anders? Und warum die weite Strecke? Wenn dich jeder Suavis aufnehmen würde, warum dann so weit laufen, wenn du nur in einen anderen Artgenossen laufen musst, damit er dir hilft?“, wie es zuvor Ylva passiert war, kamen auch bei Anuka die Fragen spöttisch rüber, und mit Skepsis, wobei der Jungwolf nur unter ungefeilter Wortwahl litt und ehrlich interessiert war an dem, was Krolon erzählen könnte und hoffentlich würde. Und mittlerweile meldete sich auch ein wenig das Rudeldenken. Seit die Altwölfin Anuka eingeholt hatte, hatte der Jungspund absolut kein Schuldgefühl mehr gehabt, bei ihrem nächtlichem Davonschleichen. Doch wiederholtes Heulen und das Einsätzen der Dämmerung erinnerte auch das unbeschwerte Jungtier daran, dass es noch andere Verpflichtungen gab. Nun war es nicht so, als wären sie alle an einander festgebunden. Sie durften durchaus Herumstreunern und sich frei bewegen innerhalb des Reviers, doch es gab Regeln und Situationen. Und die Situation, welche die erste Hetzjagd mit den Jungtieren abgebrochen hatte, war just solch ein Umstand, bei dem das Rudel sich sicherheitshalber an einem Platz versammelt hielt und einzelne Patrouillen ausgesandt wurden -und Anuka und Ylva waren definitiv keine Patrouille. Wobei, Anuka wusste natürlich nicht, ob Ylva dafür eingeteilt war. Die ältere Wölfin war normalerweise nicht in dieser Sparte unterwegs, aber das hatte an sich nichts zu sagen. Es war jetzt auch nicht so, dass man jemanden nach ihnen aussenden würde, es sei denn ein einzelner Wolf wollte schauen wo sie waren, aber von „offizieller“ Seite, würde keiner kommen. Es würde aber auch keiner warten und ein Heimkommen konnte ihnen ziemliche Knüffe der Alpha einhandeln. Und Dämmerung bedeutete neue Jagd, wenn entschieden wurde, dass die Luft rein war. Keine organisierte Hetzjagd, aber kleinere Grüppchen würden sich durchaus auf den Weg machen und ihr Glück erneut versuchen um dann den Vormittag irgenwo zu ruhen. Es konnte aber auch sein, dass ein Weiterziehen entschieden wurde. Das Heulen hatte bisher nicht nach erneutem Versammeln und anschließenden Aufbruch geklungen. Fakt war auch, dass genau dieses Heulen auch erst erklingen würde, wenn das Rudel sich los machte. Die ganzen anderen Vorzeichen, wie Unruhe und Aggressionen unter den Ranghöheren, sahen die zwei Wölfe hier ja nicht. Und bei diesen ganzen Gedanken überkam Anuka ein leichtes Unwohlsein. Sie wollte nicht weg – noch nicht. Aber Instinkt rief, dass sie sich bald aufraffen sollten und sie zurückkehren. Ein anderer Instinkt läutete ebenso laut, dass sie dem Drang des Zurückkehrens ignorieren sollte. UND die Faszination, die der Suavis ausstrahlte war ebenso dröhnend. „Wir sollten uns vielleicht los machen?“, richtete sie die Frage an Ylva und Krolon.
16. Kiriat, Morgendämmerung
Anuka, Ylva, Krolon
Anuka ist von Ylvas schnellem Jagderfolg begeistert; labt sich am Buffet und schlägt vor aufzubrechen